Internationalisierung
International tätige Unternehmen bieten als Werbeversprechen die beste Qualität, den besten Preis und eine Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen an. Ihr internationales Aufstellen – über Niederlassungen, Produktionsstätten, Vertriebspartner, Influencer etc. – bietet ihnen unzählige Möglichkeiten, um ihren Umsatz zu steigern, viele Konsumenten zu erreichen und ihre Marke im Ausland bekannter zu machen. Dafür werden teure Marketingstrategien entwickelt, kostenintensive Werbefilme gedreht – nicht selten für mehrere Länder gleich. Manche Unternehmen haben damit einen großen Erfolg, manche tragen einen enormen Imageschaden davon, der mit großen monetären Verlusten einhergeht.
Aber Marketing ist nicht nur für große Unternehmen von Bedeutung. Auch kleine Firmen müssen sich mit dem Thema Marketing beschäftigen, wenn sie ihre Produkte an den Mann oder die Frau bringen wollen. Dabei wird – ob von groß oder klein – die Aufmerksamkeit zuerst u.a. auf die Produte, Lösungen und die Zielgruppe gelenkt. Gleichzeitig vergessen viele Firmen ganz oft, dass einer der Schlüsselfaktoren, die unbedingt bei einer Expansion bzw. Vertrieb berücksichtigt werden müssen, das Thema „Kultur / Mentalität“ ist. Es gab in der Vergangenheit mehrere Beispiele von bekannten Firmen, die dabei ins Fettnäpfchen getreten sind
Ein Beispiel ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil es m.E. sehr kurios ist – es ist die Expansion der US-Firma Gerber, die heute ein Teil von Nestlé ist, auf den afrikanischen Kontinent. Beim Export nach Afrika ist der Firma ein großer Marketingfehler unterlaufen, der das Unternehmen viel Geld kostete und beinahe das Afrika-Geschäft ruinierte. Afrika besteht aus mehreren souveränen Staaten, die unterschiedlich entwickelt sind, aber auch unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Probleme haben. Trotzdem haben die meisten Afrikaner unterhalb von Sahara eine ähnliche Kultur, Verhaltensweisen und Überzeugungen. Sehr viele Menschen können dort nicht lesen und schreiben. Daher versehen (lokale) Unternehmen die Verpackungen mit Bildern dessen, was die Produkte beinhalten, damit der Endkunde versteht, was er kauft.
Firma Gerber hat diese „winzige“ Besonderheit nicht beachtet und begann mit dem Verkauf von Babynahrung in Afrika, ohne die Verpackung zu ändern. Allerdings beinhaltet das Logo von Gerber den Kopf eines Babys… Es ist nicht verwunderlich, dass die Produkte trotz hoher Qualität kaum Absatz fanden.
Das ist ein m.E. gutes Beispiel dafür, dass auch große Unternehmen – trotz ihrer globalen Erfahrung und finanziellen Möglichkeiten – ihre Hausaufgaben nicht gründlich machen, nicht genug recherchieren und ihren neuen Markt nicht ausreichend analysieren, weil sie womöglich davon ausgehen, dass sie bereits zu bekannt sind und etwaige Fehler ihnen schnell vergeben werden.
Jede Nationalität, jedes Land hat seine einzigartige Kultur, mit seiner Geschichte, Musik, Kunst, seine Gewohnheiten, Überzeugen, Werte und Denkweise. Manche sind modern, manche fortschrittlich, aber gleichzeitig auch abergläubisch. Daher ist es so wichtig, sich beim Export von Produkten und Dienstleistungen oder im Falle einer erweiterten Expansion den jeweiligen kulturellen und verhaltensorientierten Gegebenheiten des jeweiligen Landes anzupassen. Insbesondere mit Fokus auf politische und religiöse Besonderheiten und Symbole, ein Thema, das auch in Europa gerade zu Weihnachtszeit eine große Rolle spielt. Denn nicht selten ist es so, dass große Konzerne einen Weihnachtsspot für mehrere Länder produzieren lassen, aber was dem Polen gefällt, muß nicht den Franzosen erfreuen.
Investitionen, die sich lohnen!
Die Einführung eines neuen Produktes oder einer Dienstleitung auf einen fremden Markt bringt Chancen, birgt aber auch Risiken. In den wenigsten Fällen hängt dies mit der Qualität des Produktes / der Dienstleistung zusammen, es hängt eher davon ab, WIE das Produkt / die Dienstleistung auf den Markt gebracht wird: u.a. Verpackung, Slogan, Vertriebskanäle, Zielgruppe, Bedürfnisse, Lösungen, Werbung, religiöse Symbolik und Werte – das alles muß VOR der Expansion und in einem Marketingplan berücksichtigt werden.
Was zählt für die Menschen im neuen Markt? Ist es der Preis oder doch lieber die Qualität? Wie sieht die Verhandlungstaktik aus? Wer ist der Entscheidungsträger? Was darf der Verhandlungsführer? Geniessen einige Nationalitäten besondere Sympathien? Wie wichtig ist die „richtige“ Religion, gibt es eine bestimmte Symbolik, die absolut tabu ist? Fragen über Fragen.
Gründliche Vorabrecherchen sind also das A und O einer Expansion. Dazu gehören nicht nur die „wichtigen“ Faktoren wie eine Marktanalyse (SWOT), die Suche nach Vertriebspartnern oder einem Standort, aber auch die weniger „wichtigen“ Merkmale der Kultur und der Denkweise der Zielgruppe.
Bei einer Internationalisierung werden sehr oft Regionen zu EINEM Markt geschlossen. Wir sprechen von Westeuropa, Südamerika, Osteuropa und vergessen dabei, dass diese Regionen aus mehreren Ländern mit unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten bestehen. Wenn expandierende Unternehmen auch das beachten, dann steht ihnen jeder Markt offen.
Daria Mak-Walther
31.01.2023